Russland
droht mit Energiekatastrophe
Moskau fŸrchtet um seine Monopole und
kŸndigt neuen Gaskrieg an
Zwischen der Ukraine und Russland bahnt sich der nŠchste
Energiekrieg an. Im Visier hat der Kreml aber auch Europa: Der russische
Vizepremier Igor Setschin drohte am vergangenen Wochenende dem EU-Kommissar
Andris Piebalgs fŸr den kommenden Winter mit ãeiner katastrophalen
EntwicklungÒ.
Christian Weisflog
Mit den wiederholten Gaskriegen gegen
die Ukraine hat Russland bislang nichts gewonnen. Im Gegenteil, Moskaus Image
als zuverlŠssiger Lieferant hat schweren Schaden genommen. Trotzdem aber will
der Kreml immer noch mit dem Kopf durch die Wand: ãDie Tragšdie, die wir im
Januar erlebten, wird eine katastrophale Entwicklung nehmenÒ, sollte es der
Ukraine nicht rechtzeitig gelingen, seine Gasspeicher mit 19,5 Milliarden
Kubikmeter Gas zu fŸllen, warnte der russische Vizepremier Igor Setschin am
vergangenen Wochenende EU-Kommissar Andris Piebalgs.
ãErpressungÒ
Der russische Energieexperte Michail
Krutichin bezeichnet diese €usserung als ãErpressungÒ. Denn die Ukraine brauche
die Speicher im Grunde nur, um starke Schwankungen der Nachfrage in Europa oder
der Lieferungen aus Russland auszugleichen, sagt der Analyst von RusEnergy.
Dank der grossen Reserven konnte Kiew
im vergangenen Januar dem russischen Lieferstopp Ÿber zwei Wochen lang trotzen.
Nun aber mŸssen die Speicher wieder gefŸllt werden, wozu der wirtschaftlich
stark angeschlagenen Ukraine momentan jedoch die Mittel fehlen. Die Regierung
von Julia Timoschenko hat Moskau gar um einen Kredit von fŸnf Milliarden Dollar
gebeten, um das Problem zu lšsen, doch Russland eilt es damit nicht.
Stattdessen schlug Setschin der EU eine gemeinsame staatliche Finanzierung
dieser Gasreserven vor.
Russland wolle die EU einbinden, obwohl
es sich einzig um ein Problem zwischen Kiew und Moskau handle, erklŠrt
Krutichin. Auf diese Weise mšchte der Kreml indirekt Druck auf BrŸssel ausŸben.
Denn die EU hat zum grossen €rger der russischen Regierung Ende MŠrz mit Kiew
ein Memorandum Ÿber die Modernisierung des ukrainischen Gasleitungssystems
abgeschlossen. Darin ist unter anderem auch die Rede Ÿber eine ãschrittweise
IntegrationÒ der Ukraine in den ãeinheitlichen europŠischen EnergiemarktÒ. Dies
zšge eine Liberalisierung und transparentere Regulierung des Gashandels mit
sich. Dadurch wŸrde der russische Energieriese Gasprom nicht nur sein
Transitmonopol durch die Ukraine verlieren, es bliebe ihm auch der angestrebte
Zugang zum Endkundenmarkt verwehrt.
Moskau will ein ãMarktÒ ohne Konkurrenz
Denn hinter aller Polemik und
Propaganda an der russisch-europŠischen Gasfront steckt letztlich eine ganz
nŸchterne Grundsatzfrage: Nach welchen Prinzipien soll die europŠische
Gasversorgung geregelt werden? In diesem zentralen Punkt vertreten ãRussland
und die EU absolut entgegengesetzte AnsichtenÒ, kommentiert Michail
Kortschemkin auf der Webseite seines Institute of East European Gas Analysis.
WŠhrend die EU die Konkurrenz durch den freien Wettbewerb mšglichst vieler
Akteure erhšhen mšchte, will Gasprom die Produktionskette von den Fšrderfeldern
in Sibirien bis zu den GaszŠhlern der europŠischen Haushalte kontrollieren. Der
russische Premierminister Wladimir Putin wŸnsche sich einen ãMarktÒ ohne
Konkurrenz zwischen den Energieproduzenten, mit hohen regulierten Preisen und
einer garantierten Nachfrage, erklŠrt Kortschemkin.
Putin hat kŸrzlich damit gedroht,
auslŠndischen Investoren im russischen Energiesektor Probleme zu bereiten,
sollte die EU die russischen Interessen nicht besser berŸcksichtigen. Aber auch
ein solches Vorgehen wŸrde am Ende wohl wiederum vor allem Russland schaden.
Denn Gasprom braucht zurzeit dringend Geld, um neue Fšrderfelder auf der
Halbinsel Jamal zu erschliessen. Aufgrund der gesunkenen Gaspreise und der
Wirtschaftskrise fehlt dieses Geld allerdings momentan.
Wenig produktive DrohgebŠrden
Anstatt das Investitionsklima zu
verbessern, gedenkt Russland auch dieses Problem mit hemdsŠrmligen Methoden zu
lšsen, meint Energieexperte Krutichin: ãUm den Gaspreis in die Hšhe zu treiben,
schŸrt Russland kŸnstlich Konflikte.Ò Im Falle der Ukraine gehe es dabei auch um
die Diskreditierung des Landes als zuverlŠssiger Transitpartner. Moskau will
der EU dadurch die sŸndhaft teuren Pipeline-Projekte durch die Ostsee und das
Schwarze Meer schmackhaft machen. Der Kreml ist bereit unzŠhlige Milliarden in
diese Vorhaben zu investieren, obwohl ihre langfristige RentabilitŠt fraglich
ist. Kurzfristig wŸrden sich diese Projekte aber durchaus lohnen, erklŠrt
Krutichin, und zwar fŸr die kremlnahen Kreise, die am Bau der Ršhren beteiligt
seien.
Die DrohgebŠrden Moskaus erweisen sich
jedoch auch hier als wenig produktiv: Denn am kommenden Wochenende will die EU
mit sechs postsowjetischen Staaten (Ukraine, Moldawien, Georgien, Armenien,
Aserbaidschan und Weissrussland) eine ã…stliche PartnerschaftÒ schmieden und
zugleich den ãsŸdlichen GaskorridorÒ forcieren. Dabei geht es um die
Nabucco-Pipeline, die durch die Umgehung russischen Territoriums Moskaus
Transitmonopol fŸr kaspisches und zentralasiatisches Erdgas sprengen
kšnnte.