Kreml-Kritiker kŠmpft um Kandidatur

 

Der russische Ex-Premier Michael Kasjanow ist der letzte verbliebene Oppositionskandidat im bŸrokratischen HŸrdenlauf um eine PrŠsidentschaftskandidatur. Gestern reichte er wie gefordert zwei Millionen Unterschriften ein. Die Wahlkommission wird sie nun sehr genau unter die Lupe nehmen.

 

Christian Weisflog

 

Die russische Opposition hat sich bei Wahlen in der Vergangenheit oft selbst geschlagen, weil sie sich nicht auf einen einheitlichen Kandidaten festlegen konnte. Auch im Hinblick auf die PrŠsidentschaftswahlen am 2. MŠrz hat sich daran wenig geŠndert.

Dass nun mit Ex-Premier Michail Kasjanow nur ein einziger wahrhaftiger Kremlkritiker im Rennen um eine PrŠsidentschaftskandidatur verblieben ist, grŸndet nicht in einem Kompromiss zwischen den verschiedenen OppositionskrŠften, sondern in den harten Zulassungskriterien: Kandidaten, die nicht von einer im Parlament vertretenen Partei vorgeschlagen wurden, mussten an einer Versammlung von einer 500-Kšpfigen Initiativgruppe die UnterstŸtzung erhalten und danach innerhalb eines Monats zwei Millionen Unterschriften sammeln.

 

Vor verschlossenen TŸren

Da in der Duma bis auf die kleine Fraktion der Kommunisten nur noch absolut kremltreue Parteien vertreten sind, trafen diese Bestimmungen fŸr alle Oppositionskandidaten zu. Diese mussten einer nach dem anderen die Segel streichen: Der liberale Politiker Wladimir Ryschkow verzichtete einerseits aus KostengrŸnden. Er schŠtzte den Aufwand fŸr die Unterschriftensammlung auf mehrere Hundert Millionen Rubel. Andererseits fŸrchtete er weitere GŠngelungen durch die Behšrden: ãIch habe die praktische Erfahrung gemacht, dass ein oppositioneller Kandidat keinen Saal mieten kann, keinen Notar findet, keine BŸrorŠume fŸr die Sammlung von Unterschriften findet, solange es gegen ihn ein verdecktes Verbot von Seiten der Staatsmacht gibt.Ò

Und Ryschkows Vorwarnung hat sich bewahrheitet: Der ehemalige Schachweltmeister und OppositionsfŸhrer Garri Kasparow suchte in Moskau im Dezember vergeblich nach einem geeigneten Versammlungssaal. †berall stand er vor verschlossenen TŸren. Niemand wagte es, dem Kremlfeind einen Raum zu vermieten und auch er musste seine PrŠsidentschaftsplŠne aufgeben.

Einzig der gross gewachsene Kasjanow, dessen Statur ein wenig an jene von Boris Jelzin erinnert, hat bisher alle HŸrden erfolgreich gemeistert: Gestern lieferte er fristgerecht auch die geforderten zwei Millionen Unterschriften ab. Kasjanow, der von 2000 bis 2003 Putins erster Regierungschef war, soll innerhalb des Staatsapparat immer noch Ÿber einige UnterstŸtzung verfŸgen. Der 50-jŠhrige Finanzexperte kritisierte das Vorgehen gegen den …lkonzern Jukos und die Verhaftung von Michail Chodorkowski. Kurz vor den PrŠsidentschaftswahlen 2004 wurde er jedoch von Putin entlassen und ging daraufhin in die Opposition.

Ob die Wahlkommission Kasjanows Unterschriftend akzeptiert, wird sich in den nŠchsten zehn Tagen entscheiden. Die Unterschriften mussten in ganz Russland gesammelt werden, da pro Region nur 50000 Signaturen erhoben werden durften. Dabei muss die Quote der fehlerhaften Unterschriften unter fŸnf Prozent liegen.

 

Chancenloser Spielverderber

Ein Ausschluss Kasjanows aufgrund ãadministrativer MŠngelÒ ist durchaus wahrscheinlich. Zu einem frŸheren Zeitpunkt hatten die Behšrden bereits seiner Parte Ð der Volksdemokratischen Union Ð die Registrierung verweigert. Durch gezielt gestreute GerŸchte in den Medien wurde Kasjanows Vorhaben bereits als ãkaum zu realisierende AufgabeÒ abgestempelt. ãKompetente ExpertenÒ verdŠchtigten den 50-JŠhrigen, die Unterschriften ãzu zeichnenÒ.  Bereits hat die Staatsanwaltschaft der Region Marij El ein Strafverfahren gegen Kasjanows lokalen Wahlkampfleiter eršffnet Ð wegen angeblicher FŠlschung von Unterschriften.

Doch auch wenn Kasjanow zu den Wahlen zugelassen werden sollte, wird er kaum grosse Chancen haben. Einerseits verfolgen Kasjanow bis heute unbewiesene KorruptionsvorwŸrfe aus seiner Zeit als Finanzminister unter Jelzin. Andererseits dominiert Dmitrij Medwedew, PrŠsident Putins Kronprinz, die Abendnachrichten auf den staatlich kontrollierten FernsehkanŠlen praktisch nach belieben. Als bereits bewŠhrte Sparringpartner fŸr den Wahlkampf stellte der Kreml dem Putin-Intimus den Kommunisten-FŸhrer Gennadij Sjuganow und den national-chauvinistischen Politclown Wladimir Schirinowskij zur Seite. Alles ist bestens vorbereitet fŸr ein abgekartetes Spiel Ð Kasjanow wird es kaum verderben kšnnen.