Kommentar

Putin ist zu Recht Mann des Jahres

 

Die Nachricht:  ÇEin Zar ist geborenÈ, titelte das US-Magazin Time vergangene Woche und kŸrte den russischen PrŠsidenten Wladimir Putin zum Mann des Jahres. Er habe eine ausserordentliche FŸhrungsleistung vollbracht, indem er ein Land im Chaos Ÿbernommen und ihm StabilitŠt gebracht habe, heisst es in der BegrŸndung.

 

Christian Weisflog

 

Der Kommentar: ÇEine kleine KGB-MausÈ, nannte der Sowjet-Dissident Wladimir Bukowski den russischen PrŠsidenten in Anspielung auf dessen Geheimdienst-Vergangenheit kŸrzlich bei einem Besuch in Moskau. Jetzt ist die Çkleine MausÈ der ÇMann des JahresÈ. Hat Putin diese Auszeichnung verdient? Er, der im Iran Atomreaktoren bauen lŠsst und im eigenen Land das freie Wort mit FŸssen tritt. Die Frage drŠngt sich auf, doch sie ist falsch. Die Auszeichnung des Time-Magazine haben vor Putin bereits nicht weniger strittige StaatsmŠnner wie etwa die SowjetfŸhrer Josef Stalin oder Nikita Chruschtschow erhalten. Und mag der Kreml die Wahl Putins auch zu Propagandazwecken missbrauchen - Putins Portrait auf der Time-Titelseite spricht nicht fŸr ihn. Es zeigt einen unterkŸhlten Machtmenschen mit gefŸhlslosem Blick. Das Bild signalisiert deutlich: Hier geht es nicht um eine Ordensverleihung, sondern eben - ob Freund oder Feind - um den Mann des Jahres.

 

Und der ist Wladimir Putin zu Recht. Er hielt die Welt 2007 wie kein anderer in Atem: Den Ton gab der Kremlherr bereits mit seiner Rede auf der Sicherheitskonferenz in MŸnchen vom 12. Februar vor, als er den globalen FŸhrungsanspruch der USA in Frage stellte, ihre bewaffneten AlleingŠnge in der internationalen Politik offen kritisierte und als Reaktion darauf vor einem neuen WettrŸsten warnte. Damit sprach er nicht nur seinen russischen BŸrgern, sondern auch vielen EuropŠern aus dem Herzen. Putins ganz persšnlicher Triumph war schliesslich die Olympia-Vergabe 2014 an Sotschi, fŸr die er sich mit einer leidenschaftlichen Rede einsetzte und dabei fŸr seine auswendig gelernten englischen und franzšsischen SŠtze viel Sympathie erntete.

 

Putin hat den Westen 2007 einer Schocktherapie unterzogen und klar gemacht: Der Zusammenbruch der Sowjetunion bedeutet nicht den Endsieg der liberalen Demokratie, in deren Namen sich jede Šussere Intervention rechtfertigen liesse. Es gibt in Putins Augen andere Entwicklungspfade wie etwa den chinesischen. Und sein Russland will sich die Entscheidung selbst vorbehalten, welchen Weg es gehen mšchte. Welchen, das steht jedoch noch offen: Immerhin will Putin sich an die Amtszeitbegrenzung in der Verfassung halten und den Kreml im nŠchsten FrŸhjahr verlassen. Eine kleine KGB-Maus, das hat er bewiesen, ist der 55-JŠhrige lŠngst nicht mehr. Ein Zar aber auch (noch) nicht.