Die Nachricht: ÇEin Zar ist geborenÈ, titelte das
US-Magazin Time vergangene Woche und kŸrte den russischen PrŠsidenten Wladimir
Putin zum Mann des Jahres. Er habe eine ausserordentliche FŸhrungsleistung
vollbracht, indem er ein Land im Chaos Ÿbernommen und ihm StabilitŠt gebracht
habe, heisst es in der BegrŸndung.
Der Kommentar: ÇEine
kleine KGB-MausÈ, nannte der Sowjet-Dissident Wladimir Bukowski den russischen
PrŠsidenten in Anspielung auf dessen Geheimdienst-Vergangenheit kŸrzlich bei
einem Besuch in Moskau. Jetzt ist die Çkleine MausÈ der ÇMann des JahresÈ. Hat
Putin diese Auszeichnung verdient? Er, der im Iran Atomreaktoren bauen lŠsst
und im eigenen Land das freie Wort mit FŸssen tritt. Die Frage drŠngt sich auf,
doch sie ist falsch. Die Auszeichnung des Time-Magazine haben vor Putin bereits
nicht weniger strittige StaatsmŠnner wie etwa die SowjetfŸhrer Josef Stalin
oder Nikita Chruschtschow erhalten. Und mag der Kreml die Wahl Putins auch zu
Propagandazwecken missbrauchen - Putins Portrait auf der Time-Titelseite
spricht nicht fŸr ihn. Es zeigt einen unterkŸhlten Machtmenschen mit
gefŸhlslosem Blick. Das Bild signalisiert deutlich: Hier geht es nicht um eine
Ordensverleihung, sondern eben - ob Freund oder Feind - um den Mann des Jahres.
Und der ist Wladimir Putin zu Recht. Er hielt
die Welt 2007 wie kein anderer in Atem: Den Ton gab der Kremlherr bereits mit
seiner Rede auf der Sicherheitskonferenz in MŸnchen vom 12. Februar vor, als er
den globalen FŸhrungsanspruch der USA in Frage stellte, ihre bewaffneten
AlleingŠnge in der internationalen Politik offen kritisierte und als Reaktion
darauf vor einem neuen WettrŸsten warnte. Damit sprach er nicht nur seinen
russischen BŸrgern, sondern auch vielen EuropŠern aus dem Herzen. Putins ganz
persšnlicher Triumph war schliesslich die Olympia-Vergabe 2014 an Sotschi, fŸr
die er sich mit einer leidenschaftlichen Rede einsetzte und dabei fŸr seine
auswendig gelernten englischen und franzšsischen SŠtze viel Sympathie erntete.
Putin hat den Westen 2007 einer Schocktherapie unterzogen
und klar gemacht: Der Zusammenbruch der Sowjetunion bedeutet nicht den Endsieg
der liberalen Demokratie, in deren Namen sich jede Šussere Intervention
rechtfertigen liesse. Es gibt in Putins Augen andere Entwicklungspfade wie etwa
den chinesischen. Und sein Russland will sich die Entscheidung selbst vorbehalten,
welchen Weg es gehen mšchte. Welchen, das steht jedoch noch offen: Immerhin
will Putin sich an die Amtszeitbegrenzung in der Verfassung halten und den
Kreml im nŠchsten FrŸhjahr verlassen. Eine kleine KGB-Maus, das hat er
bewiesen, ist der 55-JŠhrige lŠngst nicht mehr. Ein Zar aber auch (noch) nicht.