Ein RevolutionŠr im Sinkflug

Georgiens liberaler PrŠsident greift fŸr den Machterhalt zu sozialistischen Mitteln

 

Micheil Saakaschwili wird die PrŠsidentschaftswahlen am 5. Januar voraussichtlich gewinnen. Durch die gewaltsame Niederschlagung der Proteste im November hat er seinen wichtigsten Trumpf - den Ruf eines mustergŸltigen Demokratielehrlings Ð jedoch vermutlich fŸr immer verloren. DafŸr muss er nun bezahlen.

 

Christian Weisflog

 

Bis vor kurzem war der 40-jŠhrige Micheil Saakaschwili in Washington eine gern gesehene Sensation: ein Anti-Putin sozusagen und der lebende Beweis einer im Westen geschulten und in ihrer postsowjetischen Heimat erfolgreichen Generation von liberalen Reformpolitikern. ãWenn er durch den US-Kongress schreitetÒ, witzelte Saakaschwili selbst Ÿber sich, ã wŸrden sich mehr Kšpfe umdrehen als bei Britney Spears.Ò

Wie im Leben des Popsternchens ging es auch fŸr den aktuellen georgischen PrŠsidenten lange Zeit nur aufwŠrts: Die Schule in Tiflis und das Studium am Institut fŸr Internationale Beziehungen in Kiew schloss er mit Bestnoten ab. Mit einem Stipendium des US-Kongresses erwarb sich der Jurist in Amerika Magister- und Doktortitel. An verschiedenen Instituten in Strassburg, Oslo und Den Haag beschŠftigte er sich mit dem Thema der Menschenrechte. Aufgrund seines ãIntellekts und seiner EnergieÒ offerierte ihm eine New Yorker Anwaltskanzlei schliesslich eine Stelle.

 

Schneller Aufstieg ...

Doch Saakaschwili wollte nur eines Ð zurŸck in die Heimat, wo er schnell zum Kopf der demokratischen Oppositionsbewegung aufsteigen sollte: ãSehen Sie Herr PrŠsident, Sie hatten eine grosse Chance, der GrŸndervater einer neuen georgischen Nation zu werden, aber Sie haben versagtÒ, kritisierte Saakaschwili seinen VorgŠnger Eduard Schewardnadse kurz bevor er ihn mit Massenprotesten gegen die gefŠlschten Parlamentswahlen Ende 2003 zum RŸcktritt zwang.

Daraufhin gewann der damals erst 36-jŠhrige Saakaschwili als AnfŸhrer der so genannten Rosenrevolution die PrŠsidentschafts- und Parlamentswahlen 2004 mit ŸberwŠltigenden Mehrheiten. Seine ehrgeizigen Ambitionen verbarg der junge Jurist nie: Er will es besser als Schewardnadse machen und als grosser Erneuerer in die georgische Geschichte eingehen. Die Herausforderungen dabei sind kolossal. Der aktuelle georgische PrŠsident Ÿbernahm von seinem VorgŠnger ein durch ethnische Konflikte zerrissenes Land und einen durch Korruption geschwŠchten Staat - mit fŸnf Millionen Einwohnern und einem Volkseinkommen von gerade mal rund drei Milliarden Dollar.

Auch hier erwies sich Saakaschwili mit einer aggressiven Reformpolitik vorerst als MusterschŸler: In der Hitliste der unternehmerfreundlichsten LŠnder kletterte sein Land zwischen 2005 und 2006 von Rang 112 auf Platz 37. Die Hauptstadt Tiflis hat heute wieder rund um die Uhr Strom und der Staat bezahlt die Lšhne pŸnktlich aus. Trotz eines russischen Wirtschaftsembargos lag das Wachstum 2006 bei 9,4 Prozent.

 

... Ÿberraschender Fall

So schnell Saakaschwilis Stern aufstieg, so Ÿberraschend begann nun jedoch sein Sinkflug: Der wirtschaftliche Aufschwung geht an grossen Teilen der Bevšlkerung vorbei, die weiterhin in Armut leben und denen eine hohe Inflation Ð auch durch das russische Embargo genŠhrt - zu schaffen macht. Als das georgische Volk seinem RevolutionsfŸhrer Anfang November die Gefolgschaft verweigerte und zehntausende OppositionsanhŠnger auf die Strassen gingen, geriet Saakaschwili in Panik: Er liess die Proteste von SicherheitskrŠften gewaltsam niederschlagen, einen oppositionellen Fernsehsender schliessen und verhŠngte den Ausnahmezustand.

FŸr seine Kritiker zeigte der PrŠsident nun sein eigentliches Gesicht Ð das eines machthungrigen Demagogen, der lŠngst den Bezug zur RealitŠt verloren hat. Anstatt den Dialog mit der Opposition zu suchen, beschuldigte er diese, Teil einer Verschwšrung russischer Oligarchen zu sein, die nur LŸgen fabrizieren wŸrden. Salome Surabischwili Ð Saakaschwilis ehemalige Aussenministerin Ð kritisiert die Haltung der Regierung wie folgt: ãWir sind die Mehrheit und wissen daher, welche Entscheidungen gut sind, und mŸssen sie niemandem erklŠren.Ò

 

Sanfte Bauchlandung?

Um den Vertrauensverlust im In- und Ausland wett zu machen, setzte der georgische PrŠsident auf den 5. Januar vorgezogene PrŠsidentschaftswahlen an. Zudem sollen am gleichen Tag zwei Plebiszite Ÿber das Datum der Parlamentswahlen und den Nato-Beitritt durchgefŸhrt werden. Um die Volksseele zu besŠnftigen, wechselte Saakaschwili zudem den Regierungschef aus. Das neue Kabinett will mehr Geld fŸr soziale Belange ausgeben und die RŸstungsausgaben drastisch kŸrzen, die ursprŸnglich 27 Prozent der Staatsausgaben betragen hatten. Ausserdem kŸndigte Saakaschwili an, er werde in Zukunft keine ãrevolutionŠre MannschaftÒ mehr benštigen, die Zusammensetzung solle umfassender sein.

Da sich unter den sechs Oppositionskandidaten bislang kein charismatischer FŸhrer finden lŠsst, dŸrfte Saakaschwili wieder gewŠhlt werden. Es ist jedoch fraglich, ob er dies in der ersten Runde schaffen wird. Ein ãstarkes MandatÒ wie er es verlangt hatte, kšnnte ihm daher verwehrt bleiben.

FŸr Georgien und Saakaschwili bietet dies aber vielleicht die Chance, gewisse Dinge wieder pragmatischer anzugehen: Wie etwa die Lšsung der Territorialkonflikte um die beiden abtrŸnnigen Provinzen Abchasien und SŸdossetien an der sŸdrussischen Grenze. Saakaschwili suchte dabei zunehmend die Konfrontation mit dem Kreml, den er bezichtigt, eine Wiedereingliederung der Regionen in den georgischen Staat zu sabotieren. Doch auch wenn Russland seine Hand schŸtzend Ÿber die separatistischen Regime legt Ð sie scheinen von ihrer jeweiligen Bevšlkerung durchaus getragen zu werden. Eine Tatsache, die Saakaschwilis Regierung gerne ausblendet.