Georgische Opposition ist nur zu GesprŠch Ÿber den RŸcktritt des
PrŠsidenten bereit
Das KrŠftemessen zwischen der Opposition und dem
PrŠsidenten in Georgien ging gestern in die zweite Runde: Nachdem Micheil
Saakaschwili einen RŸcktritt ausgeschlossen hat, wollen seine Gegner die
Demonstrationen auf die ganze Hauptstadt ausdehnen und wichtige Strassen
blockieren.
Die georgische Opposition hatte PrŠsident Micheil Saakaschwili ein
klares Ultimatum gesetzt: Bis gestern um vier Uhr Nachmittags verlangten sie
seine RŸcktrittserklŠrung und drohten ansonsten mit einer VerschŠrfung der
Proteste. Diese hatten am Donnerstag, 9. April, vor dem Parlament in Tiflis
begonnen. Exakt an diesem Datum hatten sowjetische Truppen vor 20 Jahren
gleichenorts Demonstrationen fŸr ein unabhŠngiges Georgien mit Giftgas und
geschŠrften Spaten brutal niedergeschlagen. 19 Menschen kamen dabei ums Leben.
Doch trotz des symboltrŠchtigen Tages und scharfer Reden konnte die
vereinigte Opposition weniger BŸrger mobilisieren als angekŸndigt. WŠhrend die
Veranstalter von Ÿber 150Õ000 Teilnehmern sprachen, schŠtzten unabhŠngige
Beobachter die Zahl auf gut 50Õ000 Personen.
Niederlage im Krieg
Das aus zwšlf Oppositionsparteien bestehende ProtestbŸndnis gegen
Saakaschwili hatte sich nach dem verlorenen Krieg gegen Russland im vergangnen
August geformt. Die Regierungsgegner werfen dem PrŠsidenten vor, einen Feldzug
begonnen zu haben, den er nicht gewinnen konnte. Mit dem Versuch, die
abtrŸnnige Provinz SŸdossetien gewaltsam zurŸckzuerobern, hat Georgien zudem
nicht nur dieses Territorium, sondern auch das separatistische Abchasien
vermutlich fŸr immer verloren. Die Gebiete werden heute von der russischen
Armee kontrolliert und sind von Moskau als unabhŠngige Staaten anerkannt
worden.
Saakaschwili will diese Niederlage jedoch nicht eingestehen und zeigte
sich gestern unbeeindruckt. Er lehnte einen RŸcktritt ab und bot der Opposition
stattdessen einen Dialog an. ãGestern war ein wichtiger Tag fŸr unsere
Demokratie, ein Teil unserer Gesellschaft hat ihren Willen ausgedrŸckt, wie es
sich fŸr ein Land mit einer hohen politischen Kultur gehšrtÒ, sagte der
PrŠsident im georgischen Fernsehen.
Saakaschwili mimt den Musterdemokraten, der er aber kaum mehr ist: 2003
stŸrmte der 42-jŠhrige Jurist als AnfŸhrer der demokratischen ãRosenrevolutionÒ
an die Macht und versprach sein Land in die EU und die Nato zu fŸhren. Der mit
einer HollŠnderin verheiratete RevolutionŠr setzte viele Reformen durch und
brachte Georgien wirtschaftlich voran. Er fand jedoch nicht die richtigen
Mittel, um Abchasien und SŸdossetien wieder zu integrieren.
Die Opposition, in deren Reihen sich heute viele ehemalige MitrevolutionŠre des PrŠsidenten befinden, wirft Saakaschwili einen zunehmend autoritŠren FŸhrungsstil und Verrat an den Werten der ãRosenrevolutionÒ vor. Im November 2007 liess der einstige Musterdemokrat Massenproteste in Tiflis gewaltsam auflšsen und verhŠngte den Ausnahmezustand.
Einige Lehren scheint Saakaschwili aus dem Herbst vor zwei Jahren aber
gezogen zu haben: Die SicherheitskrŠfte halten sich bislang sehr zurŸck, auch
das šffentliche Fernsehen berichtete Ÿber die Demonstrationen der Opposition am
Donnerstag und die Regimegegner dŸrfen sich bis am 16. April vor dem Parlament
versammeln. Zudem hofft der PrŠsident darauf, dass sich die Proteste wie nach
den Wahlen im vergangenen FrŸhling von selbst legen werden und er bis zum Ende
seiner zweiten Amtszeit in vier Jahren weiter regieren kann.
Der erneute
Demonstrationstag gestern dŸrfte Saakaschwili in dieser Hoffnung bestŠtigt
haben. Die russische Nachrichtenagentur Itar-Tass meldete nur noch 20000
Teilnehmer. Die Forderungen der Regimekritiker blieben derweil die gleichen:
ãZu einem Dialog sind wir nur in einer Frage bereit Ð Ÿber die Form eines
friedlichen RŸcktrittsÒ, sagte der OppositionsfŸhrer Koba Dawitaschwili. Ein
solches Treffen mŸsse šffentlich sein und direkt vom Fernsehen Ÿbertragen
werden, erklŠrte Georgiens ehemaliger UNO-Botschafter Irakli Alasania die
Bedingungen der Opposition.
Da Saakaschwili das
Ultimatum seiner Gegner ignorierte, riefen diese gestern zum ãzivilen
UngehorsamÒ auf. KŸnftig wollen die OppositionsanhŠnger jeden Tag vor dem
GebŠude des šffentlichen Fernsehens und der PrŠsidentenresidenz demonstrieren
sowie wichtige Strassen in der Hauptstadt blockieren. ãWir sollten nicht vor
dem Parlament stehen bleiben. Wir werden alles tun, um den Tagesablauf des
PrŠsidenten und seines Umfelds zu behindernÒ, sagte der OppositionsfŸhrer Lewan
Gatschetschiladse.
Wie dieser Machtkampf
ausgehen wird, scheint derzeit ungewiss. Doch sollte Saakaschwili auch diesmal
den lŠngeren Atem behalten, wird er seinem Land und sich selbst damit kaum
einen grossen Dienst erweisen. Ein PrŠsident, der einen Krieg vom Zaun gerissen
und verloren hat, ist nur schwer tragbar Ð auch fŸr den Westen. Auf eine
Wiedervereinigung mit SŸdossetien und Abchasien bestehen ohnehin kaum mehr
Hoffnungen, aber mit Saakaschwili an Georgiens Spitze scheint selbst eine
schrittweise Normalisierung der Lage fragwŸrdig.