ãWahlen auf ein TorÒ

Putin und Medwedew brauchen bei den russischen PrŠsidentschaftswahlen keine Konkurrenz zu fŸrchten

 

WŠhrend der Kremlkandidat Dmitri Medwedew gestern bei seiner ersten Wahlkampfrede die Demokratie und einen offenen Dialog predigte, leitete die Staatsanwaltschaft gegen den OppositionsfŸhrer Michail Kasjanow ein Strafverfahren ein.

 

Christian Weisflog

 

ãWahlen auf ein TorÒ, titelte die russische Internet-Zeitung gazeta.ru gestern treffend: Der Wahlkampf um das PrŠsidentenamt im gršssten Land der Welt ist ein Spiel in eine Richtung. Vor allem, weil die Regeln nicht fŸr alle gleich sind oder zum Vorteil des Kremlkandidaten auslegt werden.

Das gršsste Privileg ist der Zugang zum Fernsehen, das praktisch ausschliesslich von Vizepremier Dmitrij Medwedew Ð Putins Wunschkandidaten Ð dominiert wird. GemŠss den Daten der russischen Rating-Firma Medialogia erhŠlt Gasproms Aufsichtsratsvorsitzender rund viermal mehr Auftritte am Bildschirm sowie Ÿber zehnmal mehr direkte Redezeit als seine Konkurrenten.

WŠhrend der OppositionsfŸhrer Michail Kasjanow noch um seine Zulassung zu den Wahlen zittern muss, wurde Medwedew bereits am Montag von den Behšrden als Kandidat registriert und konnte gestern mit einem Auftritt vor dem Allrussischen BŸrgerforum seinen offiziellen Wahlkampf beginnen.

Das Forum wird alljŠhrlich von der BŸrgerkammer organisiert Ð ein von Wladimir Putin geschaffenes und staatlich finanziertes Diskussionsgremium. Dieses setzt sich aus Vertretern der Zivilgesellschaft zusammen, die jedoch zu einem grossen Teil vom PrŠsidenten ernannt werden. Renommierte russische BŸrgerrechtler kritisieren die Institution, da sie ihrer Ansicht nach den Dialog zwischen Gesellschaft und Staat nur imitiere.

Vor dem Hintergrund des abgekarteten Wahlkampfs wirkte auch Medwedews gestrige Rede teilweise gespielt und heuchlerisch: ãIch bin Ÿberzeugt, dass ein offener BŸrgerdialog fŸr unsere Gesellschaft Šusserst wichtig istÒ, meinte der promovierte Jurist. Vor kurzem hatte Gennadij Sjuganow, der PrŠsidentschaftskandidat der Kommunisten, Medwedew aufgefordert, sich Fernsehdebatten zu stellen. Eine Antwort bleibt ihm der Kremlkandidat jedoch bis heute schuldig. Und dies wird sich kaum Šndern: ãDas ist eine russische Tradition. Der âKandidat der MachtÕ stellt sich keinen Debatten. Wer in Russland diskutiert, verliert die WahlenÒ, erklŠrt der russische Journalist Leonid Radsichowski.

Stattdessen wird Medwedew in den nŠchsten Wochen in ganz Russland auf weiteren Foren und Versammlungen von BerufsverbŠnden als Redner auftreten. Meist soll er dabei auch von seinem Mentor, PrŠsident Putin, begleitet werden, der in Zukunft das Amt des Premierministers anstrebt. Putin ist Medwedews wichtigster Trumpf: Denn eine Mehrheit der russischen BŸrger ist gemŠss Umfragen bereit, ihre Stimme fŸr Putins Wunschkandidaten abzugeben, unabhŠngig von dessen Persšnlichkeit. Dementsprechend weicht Medwedew auch in seiner politischen Linie bisher praktisch nicht von jener seines Ziehvaters ab.

Glaubt man den Umfragen, ist das Rennen um die PrŠsidentschaft bereits entschieden, bevor es Ÿberhaupt begonnen hat: Medwedew erhŠlt weit Ÿber 50 Prozent Zustimmung, wŠhrend der wenig dynamische KommunistenfŸhrer Gennadj Sjuganow sowie der nationalistische Politclown Wladimir Schirinowskij unter zehn Prozent liegen.

Der OppositionsfŸhrer Michail Kasjanow liegt gar nur bei ein bis zwei Prozent. Trotzdem macht ihm der Staat das Leben schwer. Als Kandidat, der keiner im Parlament vertretenen Partei angehšrt, musste er in den vergangenen vier Wochen zwei Millionen Unterschriften sammeln, um zur Wahl zugelassen zu werden. Doch in einer ersten Stichprobe fand die Zentrale Wahlkommission zu viele ungŸltige Signaturen. Die Staatsanwaltschaft eršffnete zudem ein Strafverfahren, weil Kasjanows Team Unterschriften gefŠlscht haben soll.

Die vom zwielichtigen FŸhrer der Demokratischen Partei, Andrej Bogdanow, eingereichten Unterschriften, hat die Wahlkommission hingegen gestern fŸr gut befunden. Bogdanow will Russland erklŠrtermassen in die EU fŸhren. Ernst nimmt seine Worte jedoch niemand: Der Mann mit dem aufgedunsenen Gesicht und den gelierten Locken gilt wie Sjuganow und Schirinowski als ãtechnischer KandidatÒ des Kreml.

Spannung herrscht vor dem Machtwechsel deshalb vor allem hinter den Kulissen, wo sich die verschiedenen Clans um zukŸnftige Posten balgen. Liebhaber von Verschwšrungstheorien sehen darin auch den Grund fŸr die derzeitige HŠufung explodierender Gasleitungen in WohnhŠusern. Das Spiel auf ein Tor aber, dŸrfte in Russland auch nach den Wahlen weiter gehen: Der Fšderationsratsvorsitzende und Putin-Vertraute Sergej Mironow sprach sich gestern fŸr eine baldige VerlŠngerung der prŠsidialen Amtszeit von bisher vier auf bis zu sieben Jahrne aus. So kšnnte Putin ohne die Verfassung zu verletzen 2012 erneut fŸr zwei weitere Amtszeiten in den Kreml einziehen. 2026 wŠre dann wieder Medwedew an der Reihe.