Zwei Staaten Ð ein Bruderzwist

 

Geld, Geopolitik und eine schwierige Geschichte lassen sich im Gasstreit kaum trennen

 

Beim russisch-ukrainischen Gasstreit handelt  es sich um einen Handelskonflikt, der allerdings direkt von StaatsfŸhrern ausgetragen wird. LŠngst ist die Auseinandersetzung zu einer Machtprobe geworden, bei der keines der slawischen Brudervšlker das Gesicht verlieren mšchte.

 

Christian Weisflog 

 

Klar, es geht im Gasstreit auch um Geld. Vor allem aber darum, wie dieses verteilt wird. Die Ukraine und ihre IndustriekapitŠne mšchten mšglichst wenig fŸr die Lieferungen aus Russland bezahlen, Gasprom will naturgemŠss einen mšglichst hohen Verkaufspreis erzielen.

 

Das wichtigste Verhandlungsargument auf ukrainischer Seite ist dabei der Transithahn nach Europa. Rund 80 Prozent der russischen Gasexporte in die EU fliessen durch die Ukraine. Dieses Transitmonopol setzt Kiew nun seit dem 7. Januar gnadenlos ein: ãWir haben 17 Milliarden Kubikmeter Gas in den Speichern. Wir brauchen uns nicht zu beeilen und kšnnen in Ruhe mit Moskau verhandelnÒ, sagte die ukrainische Premierministerin diese Woche ganz offen.

 

Die technischen Probleme, welche Kiew als Grund fŸr den blockierten Transit vorgibt, sind deshalb wenig glaubwŸrdig. Die Ukraine wird den Gasfluss nach Europa vermutlich erst wieder zulassen, wenn eine Einigung mit Russland Ÿber den Lieferpreis fŸr 2009 besteht. Oder aber sie verlangt von Gasprom ein anderes Pfand: So forderte Timoschenko etwa die zusŠtzliche Lieferung von 21 Millionen Kubikmeter ãtechnischen GasesÒ, um die Verdichtungsstationen der Pipeline zu betreiben. Man werde dieses Gas bezahlen, sobald der Preis fŸr 2009 feststehe.

 

Politik und Wirtschaft eng verflochten

 

 Vielleicht werden sich Timoschenko und der russische Premierminister Wladimir Putin bei ihrem heutigen Treffen in Moskau auf einen Deal einigen. Die Frage ist jedoch, ob die innenpolitischen Gegner der Premierministerin diesen Erfolg gšnnen werden. Timoschenko beschuldigte diese Woche vor allem den ukrainischen Oligarchen Dmitrij Firtasch, die kurz vor dem Abschluss stehenden Verhandlungen vor Neujahr hintertrieben zu haben. Firtasch hŠlt 45 Prozent am GaszwischenhŠndler RosUkrEnergo und gilt als wichtiger Sponsor der prorussischen ãPartei der RegionenÒ. Timoschenko kŠmpft seit langem gegen RosUkrEnergo. Im Oktober kam sie mit Putin Ÿberein, den ZwischenhŠndler, der zur HŠlfte Gasprom gehšrt, abzuschaffen. Dies zeigt, wie eng Politik und Wirtschaft im GasgeschŠft verbandelt sind.

 

Das ist in Russland nicht anders. Gasprom liefert mit seinen Steuerzahlungen Ÿber 20 Prozent der šffentlichen Einnahmen. Der Konzern ist ein Staat im Staat. Wer ihn und seine Finanzstršme kontrolliert, bestimmt auch die russische Politik. Zurzeit sind dies Putin und seine Freunde, die Gasprom als Instrument nutzen, um den Einfluss Moskaus auch in den Nachbarstaaten zurŸck zu gewinnen. In Weissrussland etwa gelang es Gasprom, einen 50-Prozent-Anteil am Pipeline-Betreiber ãBeltransgasÒ zu erzwingen. Minsk erhielt das Erdgas 2008 dafŸr zum Discountpreis von 127,9 Dollar pro 1000 Kubikmeter.

 

Moskau will Westbindung der Ukraine verhindern

 

Doch die Ukraine ist eine hŠrtere Nuss. Wobei es eben nicht nur um Geld, sondern auch um Geopolitik und Geschichte geht. Dies zeigt eine Fernsehepisode: Am 22. November gedachte die Ukraine dem ãHolodomorÒ, der 1932 durch Stalins Kollektivierung bedingten Hungersnot mit mehreren Millionen Toten. Dem Kreml, der sich mit der Aufarbeitung des Stalinismus schwer tut, ist die ukrainische Erinnerungskultur ein Dorn im Auge. Der russische PrŠsident Medwedew hatte dies in einem scharfen Brief an seinen ukrainischen Amtskollegen Viktor Juschtschenko klar gemacht. Ausgerechnet am Gedenktag dann empfing Medwedew Gasprom-Chef Alexej Miller in seinem BŸro und beauftragte ihn vor laufenden Kameras, die ukrainischen Gasschulden von 2,4 Milliarden Dollar einzutreiben - koste es, was es wolle.

 

Angesichts der herannahenden ukrainischen PrŠsidentschaftswahlen zu Ende dieses Jahres, scheint Moskaus KalkŸl erkennbar: Der Gasstreit soll fŸr die derzeitige politische FŸhrung in Kiew, die ihr Land in die Nato und die EU fŸhren mšchte, zum Debakel werden. Erhšhte Gaspreise Ð zurzeit verlangt Moskau 450 Dollar pro 1000 Kubikmeter Ð sollen das wirtschaftlich bereits schwer angeschlagene Land hart treffen und den Unmut der WŠhler schŸren.