Freie Hand fŸr Kadyrow

Moskau beendet Antiterror-Operationen und zieht Truppen aus Tschetschenien ab

 

Nach genau zehn Jahren hob Russland heute das Regime fŸr antiterroristische Operationen in Tschetschenien auf. Ein Sieg fŸr Moskau ist dies aber nicht: PrŠsident Ramsan Kadyrow, der die Kaukasusrepublik mit despotischen Methoden regiert, hat sich durchgesetzt. Seine Macht ist nun fast absolut.

 

Christian Weisflog

 

Moskau hat den zweiten Krieg in Tschetschenien heute nach zehn Jahren offiziell beendet, aber damit vermutlich nicht viel gewonnen. Russische Menschenrechtler sehen die Aufhebung des ãRegimes fŸr Antirerror-OperationenÒ in der Kaukasusrepublik mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Der Sonderstatus habe 1999 einen rechtsfreien Raum geschaffen, indem 3000 bis 5000 Personen durch die Hand russischer Todesschwadronen verschwunden seien, sagt Alexander Tscherkassow von der Menschenrechtsorganisation Memorial. ãIn den vergangenen Jahren wurden die meisten Verbrechen jedoch durch die SicherheitskrŠfte von PrŠsident Ramsan Kadyrow verŸbtÒ, erwidert Tatjana Lokschina von Human Rights Watch.

 

Der von Wladimir Putin ins Amt gehobene Kadyrow lŠsst seine politischen Gegner selbst im Ausland erschiessen, steckt sie in illegale GefŠngnisse oder brennt die HŠuser ihrer Familien nieder. Allein im vergangenen Dezember wurden zehn Menschen verschleppt. Gleichzeitig treibt der tschetschenische PrŠsident die Islamisierung seiner Republik voran - unter dem Argument, damit den Rebellen den Wind aus den Segeln nehmen zu wollen. Ende vergangenen Jahres wurden sieben Frauen innerhalb von drei Tagen erschossen. Sie hŠtten sich mšglicherweise ãamoralischÒ verhalten, kommentierte Kadyrow den Vorfall.

 

Absoluter Machthaber

 

Die Abschaffung des Antiterror-Regimes kommt daher einem totalen Triumph des erst 32-jŠhrigen RepublikprŠsidenten gleich. ãEr ist nun der absolute LeaderÒ, sagt Alexej Malaschenko, Kaukasus-Experte am Moskauer Carnegie-Zentrum. Rund 20000 Soldaten des russischen Innenministeriums werden jetzt etappenweise aus Tschetschenien abgezogen.

 

Die zwei tschetschenischen Bataillone ãWostokÒ und ãSapadÒ, die bislang direkt dem Armeegeheimdienst GRU unterstellt waren, sollen umformiert werden. An der Spitze der Einheit ãWostokÒ standen bis vor kurzem die BrŸder Ruslan und Sulim Jamadajew, die sich Kadyrows Diktat nicht beugen wollten. Im September wurde Ruslan in unmittelbarer NŠhe des Kremls in seinem Auto erschossen. Ende MŠrz dieses Jahres trafen Sulim in Dubai drei Kugeln eines Auftragmšrders. Noch bleibt es ein RŠtsel, ob sie tšdlich waren oder nicht. Die Mordwaffe soll durch Adam Delimchanow Ð einem russischen Parlamentarier und Verwandten Kadyrows Ð in das Emirat geschmuggelt und dem Killer Ÿbergeben worden sein. Die Polizei in Dubai glaubt dafŸr ãunwiderlegbare BeweiseÒ zu haben.

 

ãSchwarzes LochÒ in Grosny

 

Angesichts dieses Skandals scheint es umso erstaunlicher, dass Moskau Kadyrow gerade jetzt eine noch lŠngere Leine gibt. Der Kaukasus-Kenner Malaschenko sieht dahinter vor allem wirtschaftliche GrŸnde. Tschetschenien hŠngt praktisch vollstŠndig von den Dotationen aus dem russischen Haushalt ab. Angesichts der Wirtschaftskrise sollen diese nun jedoch empfindlich gekŸrzt werden. ãDa das Geld weniger wird, fordert Kadyrow nun mehr KompetenzenÒ, meint Malaschenko.

Unter anderem kšnnte der Flughafen in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny nun wieder einen internationalen Status und damit auch einen eigenen Zoll erhalten. Malaschenko befŸrchtet, dass der Flughafen fŸr den russischen Staat zu einem unkontrollierbaren ãschwarzen LochÒ wird. Ramsan Kadyrow kšnnte zudem versucht sein, die tschetschenische Erdšlfšrderung in seine Hand zu bringen, meint der Politologe Dmitri Oreschkin.

 

Die bekannte Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina hofft jedoch auch auf positive VerŠnderungen. ãVielleicht wird der russische Geheimdienst uns jetzt nicht mehr wie Terroristen verfolgen, wenn wir mit unseren auslŠndischen Partnern nach Tschetschenien reisenÒ, erklŠrt Gannuschkina. Auch der Zutritt fŸr auslŠndische Journalisten kšnnte sich nun wesentlich erleichtern. Bislang brauchten diese fŸr den Zutritt zur Kaukasusrepublik eine spezielle Akkreditierung des russischen Innenministeriums, die nur sehr restriktiv erteilt wurde.

 

Gewalt und Gegengewalt

 

Wer Kadyrow jedoch allzu genau auf die Finger schaut, begibt sich in Gefahr. Das beste Beispiel ist der Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja im Okober 2006. Die Spuren dieses Verbrechens fŸhren ebenfalls nach Tschetschenien. Wenn Kadyrow aber nicht aufpasst, kšnnte die Gewalt seines Regimes jederzeit auf ihn zurŸckfallen. Es wŠre nicht verwunderlich, wenn er einst wie 2004 sein Vater und AmtsvorgŠnger Achmat Kadyrow, einem Attentat zum Opfer fallen wŸrde.